Vom Corona-Effekt zum gesunden Umgang mit digitalen Medien (Teil 2)
Im folgenden Artikel bespreche ich Ansätze, wie Eltern der „Generation X“, d. h. unserer nach 1997 geboren „Digital Natives“, mit dem Phänomen der virtuellen Medien und Omnipräsenz des Internets so umgehen, dass man der Zukunft der Kinder gerecht wird. Welche Beziehung zur digitalen Welt wünschen wir uns und wünschen wir uns für sie?
„Natürlich ist das Internet ein Segen und erlaubt uns allen Zugang zu unendlich vielen Möglichkeiten und zu einem unendlich großen Entfaltungspotential. Die Frage ist nur, wie kann ich meine Kinder dazu bringen, nur so viel das Internet zu nutzen, wie es wirklich für sie nützlich ist? Und wie kann ich sie dazu anhalten, offline produktiv, fokussiert und mit Tiefgang arbeiten zu können? Denn letztendlich ist es ja das, worauf es ankommt, wenn man im Leben erfolgreich sein möchte“, sagt Thomas, Vater von 3 Kindern im Alter von 10, 14 und 18 Jahren und Informatiker bei Microsoft.
Einerseits hat das Internet während des Lockdowns frustrierte und unruhige Kinder und Jugendliche beschäftigt und interaktiv gehalten, andererseits wird die Mediennutzung zum Boomerang, wenn sich echte Abhängigkeiten einstellen. Die ersten Zwischenergebnisse einer neuen Studie „Mediensucht 2020“ der DAK (1) sind alarmierend: „Nach dem neuen ICD-11 Schlüssel* ist das Spielen von Videospielen (Gaming) bei fast 700.000 Kindern und Jugendlichen in Deutschland riskant oder pathologisch. Ähnlich problematisch ist die Nutzung von Social Media. Im Lockdown sind beim Gaming die Nutzungszeiten werktags nochmals um 75 Prozent angestiegen.“
Eine andere, ganz aktuelle deutsche Studie an 10.000 Schülern zeigt eindeutig, dass während der Corona-Schulschließung die freie Zeit wenig sinnvoll und die digitalen Medien hauptsächlich passiv von Kindern und Jugendlichen genutzt wurden.(2)
Als Gründe für die erhöhte Nutzung gibt die überwiegende Mehrheit der 10- bis 18-Jährigen an, regelmäßig Social Media genutzt zu haben, um ihre sozialen Kontakte im Lockdown aufrechtzuhalten (89 %) bzw. um ihre Langeweile zu bekämpfen (86 %). Knapp 40 % geben an, dass sie diese Medien auch nutzen, um Sorgen zu vergessen, 36 % um der Realität zu entfliehen und Stress abzubauen.
Die aktuelle Überbenutzung der digitalen Medien können wir als Anlass nehmen, unsere Position als Eltern zu überdenken und Möglichkeiten zu überlegen, sinnvoll in diese neuen und zum Teil süchtig machenden Angewohnheiten einzugreifen. Sind digitale Medien wirklich die beste Art, mit Langeweile, Sorgen und Stress umzugehen? Wie könnte eine Alternative aussehen? Trauen wir unseren Kindern und Jugendlichen noch zu, sich auch anders unterhalten und beschäftigen zu können, um ihrer Langeweile zu begegnen? Und haben sie auch andere Strategien, mit ihren Sorgen und Stress umzugehen? Diese Fragen sollen als Denkanstöße gesehen werden. Im Folgenden wird erörtert, wie wir als Eltern diesem neuen Phänomen des „Corona-Effekts“ begegnen können.
1. Für ein gesundes Mittelmaß braucht man klare Richtlinien
Es gibt einen gesunden, ausgeglichenen Gebrauch der Medien und einen exzessiven. So wie es einen harmlosen Verbrauch von Zucker, Kaffee oder Wein gibt und ein ungesundes Zuviel. Einkaufen und Spielen kann in Kauf- und Spielsucht enden. Es kommt immer darauf an, ein gesundes Mittelmaß zu finden. Auch Apps und Computerspiele können bereichern oder angenehm unterhalten, ohne dass sie die Kinder von essentiellen Dingen des Lebens abhalten oder auf sie eine mental oder emotional schädigende Wirkung haben.
Lösungsansätze für eine gesunde Benutzung der digitalen Medien sind bei Grundschulkindern beispielsweise klar definierte Regeln über On- und Offline-Zeiten. Bestimmte Online-Zeiträume können pro Tag festgelegt werden, andere Familien führen je nach Tageszeit lieber Offline-Gebote ein. Hierbei ist die genaue Minutenzahl weniger wichtig als die Regeln und die klare Beschränkung an sich. Das könne z. B. so aussehen, dass man an Werktagen x Minuten und am Wochenende y Minuten erlaubt sind. Gleichzeitig können feste Offline-Zeiträume definiert werden. Gängige Regeln sind z. B. keine digitalen Medien morgens vor der Schule, bei den Hausaufgaben, beim Abendessen, ab x Uhr vor dem Schlafengehen. Auch die Räume, wo gespielt werden darf, können vereinbart werden (z. B. nur in gemeinschaftlich genutzten Räumen) (Beispiel für Regeln für 6- bis 10-Jährige, s. Anhang: (3)).
2. Aufrichtiges Interesse ist besser als eine grundsätzlich ablehnende Haltung
Das „A und O“ beim Setzen neuer Regeln ist, dass die Kinder spüren, dass ihre Eltern grundsätzlich keine ablehnende Haltung gegenüber ihren digitalen Interessen haben. Es wäre schön, wenn Kinder spüren, dass die Eltern sich für ihre virtuelle(n) Welt(en) wirklich interessieren, auch wenn sie dafür über ihren Schatten springen müssen. Wir können uns z. B. Spiele von ihnen erklären lassen, oder die Videos ihres Lieblings-YouTubers (z. B. von Squeezie, Mcfly-Carlito, Norman oder Cyprien) mit ihnen anschauen. Gleichzeitig können wir Eltern uns so auch versichern, dass der Inhalt dieser Videos für sie angemessen ist oder dass die angegebene Altersangabe eines Spiels wirklich der emotionale Reife des Kindes entspricht. Eine Mutter konnte bei ihren 9- und 11-jährigen Söhnen punkten, in dem sie sich selbst auf ihr Handy eines der Spiele ihrer Jungs heruntergeladen hat und ab und zu, obwohl es sie eigentlich nicht wirklich interessierte, damit spielte. Begeistert erkundigten sich ihre Söhne, wie weit sie schon sei, welches Level, wieviel Punkte etc. sie hatte. Sie konnte so die Leidenschaft ihrer Söhne ein Stück weit mit ihnen teilen UND ihnen lebendig vorleben, wie sie „vernünftig“ spielte und ihr Handy weglegen konnte, um wichtigere Dinge zu tun.
Bei Jugendlichen ist der Ansatz etwas anders, denn bei ihnen sind im Zuge ihres natürlichen „Abnabelungsprozesses“ nunmehr nicht mehr die Eltern, sondern vielmehr ihre Peergruppe die wichtigsten Bezugspersonen. Sie pochen auf ihre Eigenständigkeit und wollen sich nicht mehr so leicht etwas von ihren Eltern sagen lassen. Sie sind jedoch paradoxerweise dieser Selbständigkeit neurologisch noch nicht gewachsen. Ihr Gehirn strukturiert sich zwischen dem 13. und 18. Lebensjahr sozusagen vom Kindergehirn zum Erwachsenengehirn komplett neu. Dabei werden die Gehirnpartien, die sich in der Menschheitsentwicklung zuletzt entwickelt haben (präfrontaler Cortex – der für rationales, vernünftiges, verantwortungsvolles Verhalten zuständig ist), erst am Ende der jugendlichen Transformation, also frühestens ab dem 17./18. Lebensjahr ausgebildet. Jugendliche sind aufgrund dieser nicht abgeschlossenen neuronalen Reifungsprozesse weniger in der Lage, ihr Verhalten „rational“ zu steuern. Sie handeln mehr emotional und stellen eine besonders vulnerable Gruppe für die Herausbildung riskanter und pathologischer Nutzungsmuster dar. Ein „vernünftiges“ Einwirken der Eltern ist daher sinnvoll. Jedoch sträuben sich viele Eltern davor aus Angst, die Einschränkungen und ihre ausgelösten Frustrationen könnten die eh schon etwas heikle Beziehung zu ihren jugendlichen Kindern verschlechtern. Daher ist hier der erste Schritt, den Dialog mit ihnen zu suchen, was nicht immer ganz leicht ist. Man könnte sich zum Beispiel aufrichtig nach den Youtubern und Instagrammern sowie den Spielen, die sie spielen, erkundigen. Oft sind Eltern überrascht, wie gesprächig ihre jugendlichen Kinder dann plötzlich werden, wenn man sie auf „ihre Themen“ anspricht. Sozialkritische Themen, die wir als Eltern mit ihnen ansprechen könnten, sind z. B., ob sie es ok finden, dass Influencerinnen meistens weniger Follower haben als ihre männlichen Kollegen, da sich Jungs oft nur männliche Influencer anschauen, während Mädchen sowohl männlichen als auch weiblichen folgen. Kurios erscheint auch, dass die TikTok-Videos sehr geschlechtsstereotyp sind: Jungs posten hauptsächlich Videos mit „Pranks“ und Herausforderungen, wo sie ihren Mut und ihre Kraft unter Beweis stellen, während die von Mädchen ins Netz gestellten Clips über Schminke, Mode und Tanzen gehen. Ein anderes interessantes Gesprächsthema ist immer, inwiefern unsere Kinder das dargestellte Leben z. B. auf Instagram für real halten, und inwiefern es sich dank Fotofilter und Fotobearbeitungstools um eine fiktive Welt handelt. Je mehr Jugendliche auf diesen Apps sind, desto weniger sind sie sich bewusst, dass es nicht das reale Leben ist. Und es ist sehr leicht, sich damit zu vergleichen und dann unrealistische Erwartungen zu haben. Anstatt sich daraufhin frustriert und als ungenügend zu empfinden, wäre es besser, sich auf sich selbst und seine eigenen Stärken und Qualitäten zu fokussieren. Als Eltern haben wir eine wichtige Rolle, unsere Kinder darin zu unterstützen, mehr „bei sich“ und gesammelter zu sein, in dem wir zum Ausdruck bringen, was wir an ihnen wertschätzen und als besondere, bemerkenswerte Fähigkeiten bei ihnen wahrnehmen. Wir können in Frage stellen, ob es unbedingt erstrebenswert ist, so wie andere sein zu wollen.
3. Der Abhängigkeitsgefahr gemeinsam entgegensteuern
Wenn so ein Dialog über die Internetnutzung mit den Jugendlichen aufgenommen wird, werden Eltern mit ihnen natürlich auch über die möglichen Gefahren einer Internetabhängigkeit sprechen können (s. Teil 1: „Dopaminausschüttung“, „Attention-Engineers“). Im Allgemeinen befürchten die Jugendlichen bei solchen Gesprächen, dass diese Diskussion sie verletzbar macht, dass man sie belehren, kritisieren oder sie von dem einzigen Kommunikationsmittel abschneiden möchte, das sie mit ihren geliebten Freunden verbindet. Für einen gesunden Dialog mit ihnen wäre es wichtig, ihnen im Vorfeld zu vermitteln, dass wir sie nicht beschuldigen wollen, sie verstehen und uns ihr Wohlergehen und wirklich ihr Bestes am Herzen liegen, bevor wir unsere Bedenken zum Ausdruck bringen: „Ich kann mir gut vorstellen, wie wichtig es für dich ist, über Snapchat mit deinen Freunden in Verbindung zu bleiben, und ich habe wirklich nichts dagegen. Auch kann ich sehen, wieviel Spaß du bei den Online-Videospielen mit deinen Freunden hast, und das freut mich … Gleichzeitig wünsche ich mir für dich, dass du auch die Dinge verfolgst, die wirklich wichtig für dich im Leben sein werden, und deine wertvolle Energie, Zeit, Aufmerksamkeit und Intelligenz auch den Aktivitäten gibst, die langfristig dazu führen, dass du ein erfülltes spannendes Leben hast. Ich möchte jetzt nicht, dass du meinst, ich würde dich kontrollieren wollen. Aber wenn ich mitbekomme, wie sehr du dich manchmal aufregst, wenn du bei einem Spiel verlierst, fange ich an, mich zu fragen, ob dir das wirklich guttut. Wenn ich dich den ganzen Tag am Handy sehe, auch während du deine Hausaufgaben machst, oder wenn du für eine Arbeit lernst, habe ich den Eindruck, du bist mehr auf die anderen fokussiert als auf dich selbst und deine Arbeit. Vielleicht liege ich da falsch und ich würde gerne deine Meinung dazu hören, aber ich habe ehrlich gesagt den Eindruck, dass dich die digitale Welt immer mehr einnimmt und du schon erste Zeichen einer Internetabhängigkeit zeigst. Mich würde wirklich interessieren, wie du das einschätzt.“ Manche Eltern fragen ihre Kinder auch einfach, wie sie selbst den Grad ihrer Internetabhängigkeit auf einer Skala von 1 bis 10 einschätzen würden oder bieten ihnen an, einen Selbsttest zur Internetabhängigkeit durchzuführen (4) (Link siehe unten).
Indikatoren, die auf eine solche Abhängigkeit hinweisen (5), sind beispielsweise, ob Jugendliche mitten in der Nacht auf Social Media gehen, ob es sie nervös macht, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht auf ihr Handy geschaut haben und ob es ihnen schwerfällt, sich über längere Zeit auf einen Sachverhalt zu konzentrieren. Greifen sie, wenn sie unglücklich oder frustriert sind, automatisch zum Handy? Ein weiteres Kriterium für eine eventuelle Abhängigkeit könnte sein, wenn sie wegen ihrer Nutzungsintensität Stress mit ihren Freunden bekommen, schlechte Schulnoten haben und andere wichtige Aktivitäten vernachlässigen.
Jüngste Studien zeigen, dass die soziale Isolation und Distanzierung der Corona-Krise eine massive Belastung für Jugendliche darstellen, die sie mit Hilfe digitaler Medien zumindest etwas lindern können. Snapchat und andere Apps haben eine ganz zentrale Rolle in der Kommunikation zwischen den Jugendlichen. Dennoch sollte auch hier definiert werden, wieviel man mit den anderen in Kontakt sein möchte. Es sollten auch hier Offline-Zeiträume, die sogenannte „medienfreie Zeit“, zum Abschalten festgelegt werden. Ziel ist, dass sie nicht einfach permanent abrufbar sind und auf jede Benachrichtigung reagieren. Statt in einem solchen Reaktionsmodus zu sein, ist es gesünder, im Aktionsmodus sein, wo sie selbst steuern, wann und wieviel sie auf diese jeweiligen Plattformen gehen. Sie können so die Erfahrung machen, selbst die Kontrolle über diese Medien zu haben, was ihnen langfristig helfen wird, „auf eigenen Beinen“ zu stehen und ohne die Kontrolle der Eltern sich selbst Grenzen setzen zu können.
Es die Verantwortung der Eltern, als „Führungskraft“ innerhalb der Familie klare Entscheidungen und Richtlinien festzulegen, was sie von ihren jugendlichen Kindern erwarten.
Marianne, die Mutter von Axel, die wir im ersten Teil des Artikels beschrieben haben, nannte ihre Intervention und das Aufstellen von Regeln für ihren 14-jährigen Sohn „Hilfe zum Selbstschutz“. Sie hat sich mit ihrem Mann zusammengesetzt und festgelegt, welche Regeln sie für ihren Sohn Axel einführen wollen. Es war ein Glücksfall, dass Axels Vater aufgrund der verhängten Ausgangsperre abends früher als gewöhnlich nach Hause kam und Marianne bei der Durchsetzung der Regeln beistehen konnte. Sie haben Axel erst einmal gewarnt, dass sich etwas Wesentliches in seinem Leben in Bezug auf die Benutzung von Computer und Handy ändern werde. Hierdurch konnte Axel sich auf die neue Lage gefasst machen. Sie legten präzise fest, wieviel und vor allem wann Axel unter der Woche am Handy sein darf, um mit seinen Freunden nach der Schule in Kontakt zu bleiben. Dies war nur an zwei Nachmittagen erlaubt. Hielt er sich an diese Regeln, bekam er Bonus-Zeiten am Wochenende (max. drei Stunden pro Tag). An einem Nachmittag (mittwochs) hatte er das Recht, mit seinen Freuden online zu spielen, jedoch erst, nachdem er seine Hausaufgaben zuvor erledigt hatte. Marianne: „Ich war eigentlich erstaunt, wie einfach sich diese Regeln durchsetzen ließen, aber wir hatten ihn gut auf diese Veränderung vorbereitet und waren eisern entschlossen, diese durchzusetzen. Er hat unsere Unnachgiebigkeit gespürt, und die Klarheit der Regeln hat es auch für ihn leicht gemacht. Jedoch hat er schon immer wieder versucht, uns „auszutricksen“, und ich habe zwischendurch das Gefühl, dass es ein Kampf bleibt, die Regeln einzuhalten. Es gibt immer wieder „Ausnahmesituationen“, z. B. nach dem brevet blanc oder die Ferien oder die Bestätigung eines Praktikumsplatzes, was er zum Anlass nimmt, mehr Online-Zeit mit uns auszuhandeln. Er ist beim Spielen im Internet wohl einer der besten und das verstärkt seinen Drang danach. Aber er entwickelt sich zum Positiven. Er wirkt heute, nach knapp einem Monat, viel entspannter und zufriedener, auch verbringt er viel mehr Zeit mit der Familie. Er ist präsenter und interessierter und das tut uns allen gut. Ich fühle mich unglaublich erleichtert! Ich sehe ihn jetzt sogar auch mal ein Buch lesen und er ist tatsächlich mit mehr Konzentration und Motivation bei der Sache, wenn es ums Lernen oder Hausaufgabenmachen geht.“
Ein historischer Rückblick zeigt, dass jede neue Generation schon immer Besorgnis der älteren Generationen hervorrief und dass jede Erfindung neuer Technologien auch moralische Panik und Bedenken auslöste. Als Kinder im antiken Griechenland anfingen, schreiben zu lernen, befürchtete man, es könne ihrem Gedächtnissystem schaden. Als im 18. Jahrhundert zum ersten Mal Romane beliebt wurden, beklagten sich die Eltern, dass ihre Kinder zu viel lesen würden und dass ihre „Lesewut“ dazu führen würde, dass sie den Sinn für die Realität verlieren. Als 1920 die Musikrichtung „Jazz“ zum ersten Mal von den jungen Leuten gehört und geliebt wurde, befürchtete man, es könne sie vom Heiraten abhalten. Die Erfindung des Radios sollte die Kommunikation untereinander zerstören. Als das Fernsehen in die Haushalte kam, sah man die Welt im Chaos untergehen. Für tausende von Jahren war jede Generation auf ihre Art „extrem“ und sah man sie „untergehen“ und dennoch haben sie es immer wieder geschafft, sich gut zu entwickeln. Für uns Eltern heißt es da auch, ein Stück weit loslassen zu können und Vertrauen zu haben.
Zusammenfassend zum Thema „Corona-Effekt“ haben wir gesehen, dass die Überbenutzung digitaler Medien von Kindern und Jugendlichen ein weltweites Phänomen ist, das einerseits hilft, diese schwierige Zeit zu überstehen, aber das auch zu Abhängigkeiten führen kann. Ein gesundes Mittelmaß mit Hilfe klarer Richtlinien erlaubt, dass die Kinder die angenehmen, unterhaltenden und bereichernden Seiten der digitalen Medien nutzen, ohne dass diese eine mentale oder emotionale schädigende Wirkung haben. Es wurde gezeigt, inwiefern dieses Phänomen auch die Möglichkeit gibt, auf unsere Kinder und Jugendlichen in Bezug auf digitale Medien einzugehen, uns für „ihre Welt“ aufrichtig zu interessieren und somit unsere Beziehung zu ihnen zu vertiefen UND gleichzeitig, wenn notwendig, die Regeln einzuführen, die ihnen helfen, mit ihren eigenen kostbaren Ressourcen (Zeit, Aufmerksamkeit) sinnvoll und respektvoll umzugehen.
Natalie Hissen
*Nach den neuen Kriterien für die Computerspielstörung (Gaming Disorder) der ab 01.01.2022 in Kraft tretenden Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht das Computerspielverhalten mit einem Kontrollverlust, einer Priorisierung gegenüber anderen Aktivitäten sowie einer Fortsetzung der Nutzung trotz negativer Konsequenzen einher. Das Verhalten soll über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten bestehen. Hieraus resultieren signifikante Beeinträchtigungen in persönlichen, sozialen und schulisch-beruflichen Lebensbereichen
(1) DAK-Längsschnittstudie: „Mediensucht 2020 – Gaming und Social Media in Zeiten von Corona“ bei Jugendlichen (12 bis 17 Jahre), Game- und Social-Media-Konsum im Jugendalter (Mai 2020), Wiederholungsbefragung vor dem Hintergrund der Corona-Krise
https://www.dak.de/dak/gesundheit/dak-studie-gaming-social-media-und-corona-2295548.html#/
(2) https://voxeu.org/article/covid-19-school-closures-hit-low-achieving-students-particularly-hard oder auch: ifo Bildungsbarometer 2020: www.ifo.de/publikationen
(3) Beispiel für Regeln für Kinder zwischen 6 – 10 Jahren:
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- 30 Minuten pro Tag in der Schulwoche (Bonus gibt es am Wochenende)
- Die Hausaufgaben immer vor Benutzung der digitalen Medien
- Keine digitalen Medien morgens und nach 19h und während der Malzeiten
- Digitale Medien nur im Wohnzimmer benutzen (nicht im Kinderzimmer)
(4) Selbsttest: https://www.dak.de/dak/gegen-onlinesucht/selbsttest-2145998.html#/
(5) Merkmale für eine Internetabhängigkeit
1. Zu viel, zu lange, zu intensiv
2. Verminderte Leistungsfähigkeit
3. Familienleben und Freundschaften können beeinträchtigt werden
4. Andere Hobbys werden vernachlässigt
5. Psychische Auffälligkeiten
Bei Fragen zur Internetabhängigkeit: www.computersuchthilfe.info bietet u.a. eine kostenlose Telefonhotline und liefert Infos zu Prävention und Therapie